als Umweltindikator und Steuerungsinstrument für die Hamburger Stadtplanung in Zeiten des Klimawandels
Der 1984 in Hamburg entwickelte Kennwert der Grünvolumenzahl erlebt derzeit in der wissenschaftlichen Forschung und in den Planungsbehörden vieler Länder und Gemeinden eine Renaissance. Denn das Grünvolumen eignet sich in besonderem Maße als Umweltindikator und Steuerungsinstrument für die Anpassung dicht bebauter Stadtgebiete an den Klimawandel. Durch Fernerkundungsmethoden lässt sich das Grünvolumen heutzutage mit verhältnismäßig geringem Aufwand automatisch erfassen. In Hamburg liegen die erforderlichen Fernerkundungsdaten seit 2001 mehrfach und mit hoher Genauigkeit vor, werden bisher aber nicht zur Erfassung des Grünvolumens für die Klimaanpassung genutzt. Die Wichtigkeit des Grünvolumens für eine realitätsbezogene Stadtplanung ergibt sich aus den klimawirksamen Leistungen der Vegetation: Eine 20 m hohe Buche etwa verarbeitet pro Tag ungefähr 18 kg Kohlendioxid, produziert 13 kg Sauerstoff, verdunstet 400 Liter Wasser und reinigt 30.000 m³ Luft von Schadstoffen. Eine Stadtplanung, die in ihren „Grünplänen“ zwischen Kurzrasen und Baumbeständen nicht unterscheidet, wird den Ansprüchen einer klimaangepassten kommunalen Daseinsvorsorge nicht gerecht.
Grünvolumenzahl
Zur Umsetzung von Vorgaben des Naturschutzrechts wurde der Begriff Grünvolumen erstmals 1984 in Hamburg als Planungsrichtwert und Bemessungsgrundlage für Maßnahmen der Landschafts- und Bauleitplanung in die Fachdiskussion eingebracht. In Anlehnung an die im Baurecht üblichen Maßzahlen der baulichen Nutzung, wie etwa die Baumassenzahl (BMZ), wurde zur Quantifizierung und zur kartografischen Darstellung des Grünvolumens die Grünvolumenzahl (GVZ) vorgeschlagen. Sie gibt das durchschnittliche Grünvolumen (m³) pro Fläche (m²) an und kann Werte zwischen 0 m und ca. 30 m annehmen. Bei Rasen, Kräutern und Sträuchern entspricht die Grünvolumenzahl der Vegetationshöhe; bei Bäumen wird der Wert über das Volumen der Baumkronen (als Zylinder, Kugel oder Kegel) berechnet.
Die kartografische Darstellung des Grünvolumens als Umweltindikator kann für die fachgerechte Steuerung der Stadtentwicklung genutzt und mittels Umweltmonitoring ständig automatisch aktualisiert werden.
Bedeutung des Grünvolumens
Das Grünvolumen hat besonders in der Stadt eine große Bedeutung für den Naturhaushalt und die Lebensqualität der Stadtbewohner. Beispiele dafür sind:
Kleinklimaverbesserung durch Regulierung der Luftfeuchtigkeit und der Temperatur,
Atemluftverbesserung durch Sauerstoffproduktion und Ausfiltern von Luftschadstoffen,
Windschutz,
Schallschutz,
Produktion von Biomasse als Basis der Nahrungskette und der Biotopvielfalt,
Erhöhung der Artenvielfalt von Tieren durch Schaffung von Nist- und Nahrungsplätzen,
Verbesserung des psychosozialen Umfeldes und damit des Wohlbefindens der Menschen.
Renaissance des Grünvolumens
In den letzten Jahren hat das Grünvolumen als Umweltindikator und als Steuerungsinstrument für die Stadtplanung aus zwei Gründen verstärkte Beachtung und Anwendung gefunden.
In vielen Städten wird das Grünvolumen daher inzwischen in regelmäßigen Abständen mit Methoden des Umweltmonitorings erfasst und in Klimaschutzkonzepten berücksichtigt, so etwa in Potsdam, Dresden, Berlin, Manchester und New York.
Hamburg verfügt über alle Daten, nutzt sie aber nicht
In Hamburg, der Urheberstadt des Grünvolumenbegriffs, gibt es bisher keine Aktivitäten zur Erfassung und stadtplanerischen Nutzung des Grünvolumens, obgleich alle Daten dazu für das gesamte Stadtgebiet seit vielen Jahren zur Verfügung stehen:
Digitale Höhendaten von Laserscannervermessungen (Airborne Laserscanning) aus den Jahren 2001 und 2010 liegen in Hamburg mit einer Auflösung von etwa 1 - 2 Punkten bzw. 15 - 30 Punkten pro m² und einer Höhengenauigkeit von bis zu ± 7 cm vor.
Hinzu kommen flächendeckend Digitale RGB (Rot Grün Blau)-Luftbilder mit einer Auflösung von bestenfalls 10 cm, die sich mit Hilfe des "Semi-Global Matching"-Verfahrens dreidimensional auswerten lassen.
Aus dem Datenmaterial werden das Digitale Oberflächenmodell (DOM) der Erdoberfläche samt Vegetation und Gebäuden sowie das Digitale Geländemodell (DGM) der natürlichen Erdoberfläche in Hamburg gewonnen. Durch Subtraktion des DGM vom DOM erhält man das normierte Digitale Oberflächenmodell (nDOM), aus dem sich die Vegetationshöhe und - nach einer Vegetationsklassifizierung - die Grünvolumenzahlen ermitteln lassen.
Anhand des vorliegenden Datenmaterials sind daher präzise Aussagen über die Entwicklung des Grünvolumens in Hamburg während der letzten 18 Jahre möglich.
Es scheint an der Zeit, dass die Stadt Hamburg sich ihrer ehemaligen Vorreiterrolle besinnt und das Grünvolumen als Planungsinstrument konsequent einsetzt, um insbesondere eine angemessene Grünversorgung überverdichteter Stadtteile sicherzustellen, wie dies im geltenden Landschaftsprogramm vorgesehen ist. In Anlehnung an die Richtwerte des Landschaftsprogramms für die Planung von Grün- und Freiflächen im Siedlungsbereich Hamburgs könnten Orientierungswerte für die Mindestversorgung von Siedlungsflächen mit Grünvolumen definiert werden, um - auch angesichts der zunehmenden Klimaerwärmung - eine hinreichende Grünversorgung der von sommerlichen Hitzeinseln betroffenen Stadtbewohner zu gewährleisten. Beispiele für den Umgang mit Urbanen Hitze-Inseln (UHI) gibt es etwa aus London, Denver und Baltimore.